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Überlassen Sie einem kleinem Kind einen Gegenstand, es wird ihn bewegen und es macht ihm Spaß, wahrzunehmen, dass er seinen Bewegungen folgt.

Wenn es ein Stift ist, dann hinterlässt er eine Spur auf einer Fläche. Diese Spur nimmt das Kind wahr.

Das Entstehenlassen einer Spur ist eine beglückende Tat. Sie bezeugt von der Gegenwart des Kindes.

Die Spur besitzt die Eigenart unvergänglich zu sein. Die Menschen der Steinzeit sind in ihren Spuren noch gegenwärtig, seien es Händeabdrücke oder dargestellte Lebewesen, oder diesen angehörende Gegenstände.

Eine Spur kann aufgenommen werden. Sie kann eine Wirkung bezwecken genau wie die Gegenwärtigkeit einer Person. Und diese Gegenwart löst eine Wirkung auf den Betrachter aus. So hat sich die Tat des Zeigens entwickelt. Zeigen entwächst dem Bestreben, gesehen werden zu wollen.

Diese verbindende Rolle der Spur beschränkte sich nicht auf das bildliche Darstellen. Auf eine andere Weise konnte ebenfalls Vermittlung stattfinden, z.B. durch das Beschreiben mit dem Wort. Auf beide Weisen war eine Vergegenwärtigung möglich. Die bildende Kunst erscheint als die naturgetreueste Darstellungsweise.

Uns interessiert die Tatsache, dass die Spur diese Rolle in allen Kulturen gespielt hat und sogar ein Verbot hervorrief: Du sollst dir kein Bild machen von dem was oben im Himmel und unten auf Erden ist…!

Das zeigt die übliche Rolle der Spur: „Sich ein Bild machen“.

In allen Kulturen sind Bilder erzeugt worden – Bilder, die etwas zeigen, etwas vermitteln. Eine andere Rolle der Spur blieb unerprobt. Das Bild spielte immer und überall eine kommunikative Rolle. Ich weiß, dass es eine überraschende Feststellung ist.

Ich habe einen Raum eingerichtet, in dem eine andersgeartete Spur erfolgt. Ich bin gar nicht von einer gezielten Absicht ausgegangen, sondern habe wahrgenommen, dass in der aus einer rein-praktischen Erwägung entstandenen Einrichtung eine unerprobte Äußerung stattfindet. Wenn die Absicht einer Mitteilung wegfällt, geschieht eine andersveranlagte Äußerung: eine Spur, der alleiniger Zweck im Erzeugen besteht, für die es also kein Nachher gibt (keinerlei erwünschte und hervorgerufene Folgen).

In des Malortes eigenartigen Spiel-Bedingungen ist der Mensch zu einer nie zuvor ermöglichten Äußerung angeregt, zu einem nur ihm allein angehörenden Erleben.

 

Arno Stern, 7. Juli 2020

(c) Institut Arno Stern